Zusammenarbeit mit Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen und/oder mit sozialpädagogischem Förderbedarf

Die Orientierung in dem ohnehin sehr komplexen medizinischen System der Diagnostik
und der Therapien erweist sich oft für Familien nicht deutscher Erstsprache
aufgrund von Sprachbarrieren als eine enorme Hürde und kann bei Eltern Gefühle
der Machtlosigkeit und, nicht selten, des Schams auslösen. Schule soll in
dieser Situation keine zusätzliche Belastung, sondern eine Unterstützung sein. Die
Volksschule verfügt über zahlreiche Ressourcen, die aus diversen Gründen Eltern
vielleicht unbekannt sind: Zum Beispiel weil dieses Personal in den Schulen
ihrer Herkunftsländer nicht vorhanden ist, oder auch weil diese Kolleg*innen
beim Elternabend nicht ausreichend vorgestellt wurden und auf Schulhomepages
nicht sichtbar sind: Muttersprachlehrer*innen, Beratungslehrer*innen,
Schulsozialarbeiter*innen, Schulpsycholog*innen und spezialisierte Lehrer*innen,
die ihnen beratend zur Seite stehen und sie über verschiedene Therapien und
Hilfemaßnahmen informieren können. Eine interdisziplinäre Kooperation, die die
Einbindung der Eltern darauf beschränkt, ärztliche Befunde in die Schule zu
bringen, Unterschriften zur Umsetzung schulinterner Hilfemaßnahmen und Einsicht
in dem Therapieverlauf des Kindes zu erteilen, kann aus der Sicht der
Schulleitung als sinnvoll erscheinen - zum Beispiel um Zeit zu sparen bei der
Planung der Förderstunden -, wird aber von manchen Eltern als Einsicht in ihrer
Privatsphäre und als Ausdruck eines gewissen Misstrauens ihnen gegenüber
erlebt. Nur der Aufbau einer vertrauensvollen und dauerhaften Beziehung
zwischen allen Beteiligten, die Eltern, trotz unperfektem Deutsch, als Experten
in ihrer Sache anerkennt, weil sie mit ihrem Kind leben und den Alltag mit ihm
bewältigen (vgl. Theunissen, 2009), kann entlastend und fruchtbar sein.
Regelmäßige Helferkonferenzen bei denen Eltern – möglicherweise von einer
vertrauenswürdigen Person ihrer Wahl als Dolmetscher begleitet-, Therapeut*innen
und Pädagog*innen zusammensitzen und über den IST-Stand des Kindes berichten,
sind eine gute Möglichkeit, um gemeinsam über die Art der Förderung und über
ihre Umsetzung zu entscheiden. Beziehungsarbeit in einem mehrsprachigen und
interkulturellen Kontext erfordert Zeit, Ausdauer, sprachliche Kreativität und
Fähigkeit zum Perspektivwechsel, ist aber eine sinnvolle Investition, besonders
wenn sie gleich am Anfang der Schullaufbahn der Kinder stattfindet. Ziel ist,
die Familien so lange und so viel wie nötig zu begleiten, bis sie sich in dem
System zurechtfinden und genug Selbstvertrauen entwickelt haben, um nicht mehr
auf fremde (sprachliche) Hilfe angewiesen zu sein, um Entscheidungen für ihre
Kinder treffen zu dürfen.